Ishu Michael Lohmann sprach mit Anando Würzburger über ihr Seminarkonzept „Der kleine Samurai findet seine Mitte“. Das Seminar richtet sich an Eltern mit ihren Kindern.
Ishu Michael Lohmann: „Seit letztem Jahr bietest Du in der Kölner Uta Akademie eine Meditationsgruppe für Kinder an. Wie kam es dazu?“
Anando Würzburger: „Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass Kinder einen sehr spielerischen Zugang zur Meditation und Stille haben. Meine ersten Erfahrungen habe ich mit meiner Tochter Ruho gemacht, die unbedingt bei mir in den Meditationen mitmachen wollte – und dann mit viel Spaß dabei war.
Später erzählte mir meine Nichte, dass sie immer vor Klausuren in der Schule großes Nervenflattern habe. Ich zeigte ihr dann einige Atemtechniken und Yogaübungen und die haben ihr gut geholfen.
Ich finde es toll, wenn Kinder etwas an die Hand bekommen, um besser mit ihrem Stress umgehen zu können. Und ich finde auch wichtig, dass die Meditation ihnen eine Distanz zu übermäßigem Ehrgeiz geben kann. Ich glaube, dass Kinder natürlicherweise gerne lernen und auch Spaß an Leistung haben – aber das kann umkippen, wenn die Anforderungen zu viel Druck machen. Gerade das ist leider häufig in Schulen der Fall und so geht der Spaß am Lernen verloren. Durch die Meditation können die Kinder Gelassenheit gegenüber überhöhten Ansprüchen üben und entspannter und konzentrierter sein.
Ich habe immer wieder erfahren, wie hilfreich das für Kinder sein kann. Deswegen fand ich es auch toll, als in 2015 von Eltern die Frage kam, ob wir nicht im UTA einen Kurs für ihre Kinder anbieten könnten.“
Ishu Michael Lohmann: „Wie alt sind die Kinder, die in deine Gruppe kommen?“
Anando Würzburger: „Eigentlich sollte die Gruppe für Schulkinder zwischen 6 und 10 Jahren sein. Wir hatten dann aber auch zwei 5-jährige Jungen, die gerne mitmachen wollten, weil ihre Schwestern dabei waren. Die Jungen hatten natürlich besonders viel Spaß im Bewegungsteil, sie konnten dann aber auch mit den anderen Kindern im stillen Teil ruhiger werden. Wichtig ist, dass sie selbst in die Stille finden können, ohne einen Zwang still sitzen zu müssen. Dann geht es auch mit 5-jährigen.
Ich habe den Kurs so angeboten, dass auch die Eltern mit dabei sind, weil ich es wichtig finde, wenn sie das mit ihren Kindern teilen können, so können sie später die Übungen ja auch gemeinsam zuhause machen.
Nicht zu vergessen ist auch, dass je entspannter die Eltern desto ruhiger auch die Kinder werden können. Kinder lernen Stressregulation über Ihre Eltern, indem sie erfahren wie Eltern mit den Stessreaktionen und Emotionen im Baby- und Kleinkindern umgehen oder auch über das direkte Nachahmen der Regulationsmechanismen der Eltern.
Diese Übungen eignen sich auch gut für den Unterricht in Schulen. Die Lerneinheiten vermitteln Geschichten , die die Kinder neugierig machen und motovieren. Welches Kind möchte nicht so mutig sein, wie der kleine japanische Samurai, ein friedvoller Krieger aus Japan.
Auch erfahren die Kinder die UTA Akademie einmal anders. Es ist sonst für sie eher ein Ort, der ihnen die Eltern in ihrer Freiezeit „wegnimmt“– wo sie selber nicht mitmischen können. Eigentlich finde ich es gar nicht gut, wenn die Welten zwischen Erwachsenen und Kindern so getrennt sind. Als Kind war es für mich auch wichtig, dass ich meine Mutter bei ihrer Arbeit im Kulturamt Oberhausen besuchen konnte – zumal ich da auch so spannende Menschen wie den charismatischen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann aus nächster Nähe erleben konnte.
Die nächsten Nachmittage werde ich übrigens zusammen mit meiner Tochter Ruho Nina Lösel anbieten. Die Kinder finden das ganz toll, wenn ich da zusammen mit meiner Tochter sitze, zumal sie auch einen sehr guten Draht zu Kindern hat und von ihren eigenen Meditationserfahrungen als Kind erzählen kann.
Ishu Michael Lohmann: “ Wie sieht eigentlich so ein Nachmittag aus?“
Anando Würzburger: „Der Nachmittag dauert jeweils anderthalb Stunden mit einer kleinen Teepause dazwischen. Unser Motto des ersten Nachmittags ist „Der kleine Samurai findet seine Mitte“. Wir besprechen also auch, was das eigentlich heißt: „Mitte“? Und wie wir als Mensch in verschiedenen Dimensionen erleben können.
Ich male dann ein Strichmännchen mit unseren drei Hauptzentren ans Board: Unser Gehirn, Herz und Bauch.
Das Denken in unserem Gehirn und das Fühlen in unserem Herz. Wobei ich natürlich auch erkläre, dass es eine Verbindung zwischen Herz und Gehirn gibt, beide Teile also nicht getrennt sind.
Und schließlich der kleine Buddha in unserem Bauch. Ich erkläre den Kindern dann, dass wir die Stille leichter in unserer Mitte finden können. Dass wir dort gut mit unserem Sein in Verbindung treten können.
Das alles können die Kinder sehr gut verstehen. Es fällt ihnen dann auch leichter, Gefühle und Gedanken wahrzunehmen und ihnen nicht so eine schwere Bedeutung zu geben. Das heißt, sie lernen auch von negativen Gefühlen zurücktreten zu können und sie von außen anzuschauen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren.“
Ishu: „Können denn die Kinder mit einem Wort wie „Mitte“ etwas anfangen?“
Anando Würzburger: „Doch durchaus und zwar in dem Sinne, dass Mitte der Platz der Stille ist. Ich erkläre ihnen dann, dass das für die Samurais auch der Platz ihrer Kraft ist: Wenn du dich mit deiner Mitte verbindest, bist du im Hier und Jetzt und damit auch in deiner Kraft. Ich erzähle ihnen dann natürlich auch etwas von dem kulturellen Hintergrund der Samurais. Genauso, wenn wir die Meditation „Kundalini-Schlange“ machen, dann erfahren sie etwas von der indischen Kultur. All das versuche ich bildlich und spielerisch zu vermitteln. Wobei alle Übungen so aufgebaut sind, dass wir immer von der Bewegung in die Stille gehen.“
Ishu Michael Lohmann: „Welche Übung machst du mit den Kindern, um ihre Mitte erfahren zu können?“
Anando Würzburger: „Da wenden wir die Technik der Hara-Meditation an. In der ersten Phase drehen wir uns sitzend auf der Stelle – wir drehen uns also in unsere Mitte hinein. Dann spüren wir in der zweiten Phase den Atem im Bauch und dann kommt das eigentliche stille Sitzen und Beobachten. Ich schaue dann immer, wie lange sie mit ihrer Aufmerksamkeit dabei bleiben können. Natürlich sind mit den Kindern die Stille-Phasen kürzer als die bewegenden Übungen. Aber irgendwann in den anderthalb Stunden kommt dann tatsächlich der goldene Moment, wo alle Mucksmäuschen still sind – sogar die 5jährigen. Das finde ich immer wieder erstaunlich, aber dafür halte ich sie auch anderthalb Stunden bei der Stange. So lernen die Kinder auch, ihren Fokus zu halten. Sie lernen eine spielerische Konzentration – also etwas, wo sie sich nicht eingeengt fühlen. Ich sage ja auch in den Stillephasen nicht: „Jetzt bewege dich nicht mehr!“ Nein, ich versuche sie auf die Stille neugierig zu machen.
Als sehr hilfreich haben sich auch bestimmte Partnerübungen mit Berührung und dem Erspüren von „ki“, der universellen Lebensenergie, erwiesen. Kinder sind ja sehr sozial orientiert, daher ist es wichtig, dass sich die Kinder mit den anderen im Raum wohl fühlen. Das ist auch eine Voraussetzung, dass sie in die Stille gehen können. Durch den Kontakt und die gegenseitigen Berührungen kann das Nervensystem runterkommen und dann fällt es den Kindern leichter, nach innen zu schauen.
Ishu Michael Lohmann: „Du hast ausgeführt, dass die Meditationen mit Kindern einen anderen zeitlichen Rahmen als die mit Erwachsenen haben und dass sie eine spielerische Qualität brauchen. Gibt es noch etwas, was du für diese Arbeit wichtig findest?“
int „Ganz wichtig ist es, eine Brücke zu den Erfahrungen der Kinder zu bauen. Kinder sind im Grunde noch viel näher an der Meditation als Erwachsene, weil sie viel mehr im Moment leben. Und manche Spiele, die sie machen, haben auch eine meditative Dimension. Das Aus-dem-Fenster-Schauen oder Beobachten von Tieren kann ja auch eine Meditation sein. Weil man auch da ganz im Moment ist.
Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit und die Spiele, die wir damals gemacht haben. Ich habe als Kind immer gesagt: „Meine Gedanken sind mein Gedächtnis.“ Ich stellte mir vor, dass sie in so einer Art Gedächtnisbox sind. Das habe ich dann meiner Mutter erzählt und sie sagte: „Nein, deine Gedanken – das bist du!“ „Stimmt nicht,“ sagte ich, „das ist nur meine Gedächtnisbox!“ (lacht)
Die Wahrnehmung der Kinder ist ja sehr exakt – und wenn sie den Raum haben, die zu verbalisieren und ihr zu vertrauen, kann sie das enorm stärken. Wenn sie also lernen, ihre eigenen Erfahrungen anzuerkennen und wertzuschätzen, werden sie ganz anders durchs Leben gehen können.“
Foto: Smilla Dankert
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